Den Bewohnern des Westbalkans wird oftmals ein traditiertes zuweilen antiquiertes Geschlechterverhältnis zugeschrieben. Mithilfe eines empirischen Forschungsansatzes galt dies zu analysieren. Meine „Forschungsergebnisse“ sind frappierend. Dem geneigten Leser möchte ich diese nicht vorenthalten:
- Emanzipation von geschlechtsspezifischen Rollen in der „Jajce“-Generation: Diese Generation baute die damalige SFRJ, den Autoput sowie die Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Beograd und Bar auf (mitunter eine der Tunnel-reichsten Strecken Europas). Gute Bildungschancen und die Notwendigkeit zum gemeinsamen Anpacken und Aufbauen führten zu einem nahezu gleichberechtigten Miteinander der Geschlechter in der säkularisierten Gesellschaft der SFRJ. Die Männer sorgten sich um die groben Sachen: Bahnstreckenbauen, Fluchen, Schnappsbrennen, die Weltpolitik erklären, Grillen, Autoreparieren, Fluchen, Eier braten und Fluchen. Hatte ich das Fluchen erwähnt, jbg? Die Damen machten die „feinmotorischen“ Sachen – den Rest. Auch wenn Milojko, Radomir und Ljubomir glaubten, sie seien die innerfamiliäre „Entscheidungsebene“, so war das weit gefehlt. Die sprichwörtlichen Hosen hatten ihren Frauen an. Sie waren die eigentlichen Strippenzieherinnen. Ok, der Balkan war auch zu dieser Zeit kein Matriachat…
- Erstaunlich ist ebenso eine gegenläufige Entwicklung in der post-SFRJ-Generation: Der Zerfallsprozess Jugoslawiens begünstigte ein Erstarken der klassischen Rollenverteilung. Ursache sind Embargo, wirtschaftlicher Zusammenbruch der Gesellschaft und die Perspektivlosigkeit vielen junger Menschen. In dieser Phase gab es zwei gesellschaftlich-dominierende Traumberufe: Junge Männer wollten Basketball-Spieler werden und Frauen Fotomodel oder Turbofolk-Sängerin. Die Jungs – manchmal nahezu erkenntnisresistent retteten sich in Allmachtsphantasien. Junge Frauen kümmerten sich um den Rest – also alles. Mitunter haben die Herren sogar die Chance verpasst die wesentlichen Dinge zu lernen: Eier braten, Fluchen, Schnappsbrennen sowie Fluchen, jbg. Zum Leidwesen mancher Lebensgefährtin.
- Eine gesellschaftliche Bombe stellt die Generation dazwischen dar. Möchtegern-Paschas haben sich auf das Wesentliche beschränkt: Schnappsbrennen und Konsumieren, gebratene Eier essen und Fluchen. Wie paralysiert vermochten sie es nicht sich in den wesentlichen Kompetenzen weiterzuentwickeln. Hauptsache die Paranoia wird gepflegt. Besonders ausgeprägt ist dies im ländlichen Raum. Kritisch ist allerdings, dass diese Stagnation auf zwischenmenschlicher Ebene sowie auf Ebene der Geschlechterbeziehungen den Brain-drain der weiblichen Bevölkerungsteile in urbane Zentren befördert hat. Mit der Folge, dass es in manchen Dörfern Serbiens einen erheblichen „Herrenüberschuss“ gibt.
In der heutigen Zeit wandelt sich aber alles. So habe ich jüngst in einer Parfümerie in Belgrad einen Mann gesehen, der Pflegekosmetika für den Herren kaufte, jbg. In diesem Sinne: Ovo je Balkan…