Die Südslawen sind die Hessen Europas – gern etwas grober, derber, stets pragmatisch sowie immer zuversichtlich. Läbbe geht eben weidda. Dies spiegelt sich immer auch in den Lebenstips sowie bei den Hausmitteln gegen alles mögliche wieder. Der geneigte Leser wird das bestimmt kennen und kann das auch bestätigen… Für alle, die den Balkan nur aus Erzählungen kennen – oder aus diesem Blog – soll ein Beispiel das mal vor Augen führen.
Es gibt auf dem Balkan unterschiedliche Arten hohes Gras zu mähen. Die auf dem Land weit verbreitete Variante sein Grundstück zu pflegen ist die, eine Ziege oder ein Schaf vom Nachbarn zu leihen und diese für ein paar Tage auf dem hektar-großen Grundstücken zu dulden. Es geht aber auch anders.

Vor ein paar vielen Jahren zog es meine Eltern und mich für ein paar Wochen an die Adria-Küste – in das familiäre Vikendnica in der montenegrinischen Grenzstadt Ulcinj – Das war mal ein Hotspot für Genießer der langen Sandstrände… irgendwann mal mehr zu den Entwicklungen in dieser Metropole.
Das war ein Besuch nach einer langen Zeit, in der niemand aus der Familie dort weilte. Bei der Ankunft mit dem VW-Bus T2 aus der schönsten Stadt Norddeutschlands und nach mehr als 2.000 Kilometern zwischen Katze, Ikea-Möbeln und dem Geräusch eines luftgekühlten Motors kamen wir bei rund 40 Grad Celsius in der Südspitze des Westbalkans an.
Unter Einsatz seines Lebens gelang es meinem Vater das Tor zum Anwesen zu öffnen. Das Gras und zahlreiche „Wildkräuter“ wuchsen offensichtlich extrem schnell und extrem hoch. Meine Überlegung mit dem Auto einfach eine Schneise bis zur Haustür zu fahren, wurde von meinen Eltern mit Blick auf potenziell vorhandene Tiere im Gras verworfen. Dementsprechend boxten wir uns durch den montenegrinischen Urwald in Donji Stoj durch. Selbst die von uns mitgeführte Katze versuchte zunächst eine Tatze nach der anderen durch das Gras zu tappsen.
Nach kurzer Sitzung des Familienrates und der Sichtung des noch vorhandenen Werkzeuges – vieles wurde gerade an Nachbarn verliehen oder befand sich auf dem Weg zwischen Ulcinj und Belgrad, wie auch gerade der dringend benötigte Rasenmäher – machten wir uns mit Sichel und Sense an die Arbeit das Gras etwas zu kürzen. Die Befürchtung meiner Eltern bewahrheitete sich… wir stießen in der Tat auf allerhand Getier unterschiedlicher Größe. Unsere Katze lernte so auch das erste Mal sogar Schildkröten kennen, wir konnten sogar Frösche entdecken und gar ein Vogelnest…
Nach einem ganzen Tag harter körperlicher Arbeit war das Ergebnis sichtbar. Eine ansehliche Rasenfläche. Noch Tage danach merkten wir, was geleistet wurde. Allerdings wurde das „Wundenlecken“ und Wehklagen durch unseren Nachbarn Bogdan abgelöst.

Bogdan kam ein paar Tage später an. Auch er stand vor dem Problem, dass er erstmal das Tor zu seinem Grundstück und sich einen Weg durch seinen Mikro-Urwald bahnen musste. Wir machten es uns auf der Terrasse gemütlich und folgten jeden Schritt Bogdans – wir haben uns darauf eingestellt, dass wir mehrere Stunden nun mit Motivationssprüchen ein erheiterndes Unterhaltungsprogramm genießen dürfen – immerhin hatte der Fernseher nicht so viele Sender, ein blödes Programm, war schwarz-weis, mono Ton und keine Fernbedienung.
Bogdan hatte aber eine andere Herangehensweise: Zunächst fuhr er mit seinem Yugo Koral ein paar mal auf seinem Grundstück hin und her. Nahm aus dem Kofferraum einen Benzinkanister und einen Gartenschlauch. Zunächste tröpfelte er ein paar Liter Benzin auf seinem Rasen. Er nahm etwas Abstand und entzündete das mit Benzin beträufelte Gras mit ein paar gezielten Streichholzwürfen – versuchen Sie mal ein Streichholz zu werfen – bei mir geht das aus. Bei Bodgan nicht. Innerhalb kürzester Zeit war sein Gras runtergebrannt. Er brauchte für die gesamte Prozedur etwas über eine halbe Stunde. Mit dem Gartenschlauch bewaffnet verhinderte er das Übergreifen des Feuers auf sein Haus sowie auf die Grundstücke der Anlieger. Seine Mission war erfolgreich.
Sein Grundstück roch nun etwas nach verbrannten Gras. Was alles unter dem Gras gegrillt wurde mochten wir nicht erahnen. Aus der schwarzen Asche wuchsen nach sehr wenigen Tagen schon wieder grüne Pflanzen…
Nach mehrjährigen Rasenmäh-Aktionen wechselte mein Großvater seine Strategie. Ihm schwebte eine nachhaltige Lösung vor. So nutzte er einen längeren Aufenthalt in Ulcinj dazu, das komplette Grundstück zu betonieren und den Beton grün anzustreichen. Innovative Ansätze hat mein Großvater immer parat. Aber wer den ersten Wasserkocher in Serbien erfindet, kann auch Bahnstrecken und Autos bauen sowie Grundstücke betonieren.
Hinter der derben Schale verbirgt sich in vielen Fällen auch ein zarter Kern. Hm, welcher bloß? Ich sage nur Autos, Stau und Unfall. Dazu bald mehr.