Dem geneigten Leser wird dieses Gefühl vertraut sein: Der Tag ist eigentlich viel zu kurz, um alles zu schaffen, was man sich vorgenommen hat. Oder geht es mir alleine so? Ich glaube nicht. Man hetzt von der Termin zu Termin, bringt sich in Gespräche ein, zwischendurch klingelt das mobilni telefon und zwischendurch beantwortet man kurz „unter dem Tisch“ e-Mails oder SMS. Dann vibriert das Smartphone zweimal und man hat das Signal, dass das nächste Meeting gleich anfängt… Ich hatte mal vor langer Zeit das Vergnügen gehabt, dass Zeitmanagement von zwei Biznes-Män auf dem Balkan zu vergleichen. Beide „Entwürfe“ fand ich so beeindruckend, dass ich es dem geneigten Leser nicht vorenthalten möchte:
Branko war Lehrer in einem kleinen Vorort von Beograd. Er hatte im Ort eine exponierte Stellung und wurde von vielen seiner Mitbürgern bewundert. Und: Er war ein überaus höflicher Mensch mit einer enormen Bodenhaftung.
Wenn ein Nachbar seine Hilfe brauchte, war er zur Stelle. Transportierte mit seinem Yugo Fica (Fiat 500-Klon) Waschmaschinen (auf dem Dach) oder Hühner. Branko hatte einen engen Zeitplan: vormittags in der Schule – nachmittags Spaziergänge und Kontaktpflege. Dieser Vorort hatte gefühlte zwei Straßen. Eine Nord-Süd-Achse und die Ost-West-Achse.
Er begann seine Spaziergänge nach der Schule immer direkt vor der eigenen Haustür und machte sich zu Beginn noch sehr eifrig und eilig auf dem Weg. Bis zum ersten Nachbar. Er vergewisserte sich, dass dort alles in Ordnung sei. Trank zur Begrüßung mit seinem Nachbarn einen kurzen Slivovic auf den Tag und machte sich dann auf dem Weg zum nächsten Nachbarn. Auch hier musste er sich von der guten Qualität des selbstgebrannten Destillats vergewissern. Dann machte er sich weiter auf dem Weg zum nächsten Nachbarn, auch dortens sollte eine kurze Qualitätskontrolle des hiesigen Destillats fortgesetzt werden i tako dalje. Im Zuge des Straßenverlaufs näherte er sich langsam aber sicher der Kreuzung der beiden o.g. Straßen.
Langsam versuchte er die Straße – eine Hauptverkehrsstraße zwischen Beograd und Uzice – unbeschadet zu überqueren. Auf der anderen Seite – meist unbeschadet angekommen – führte er seinen Spaziergang fort. Im persönlichen Gespräch und in Augenscheinnahme der Füllstände der Flaschen mit alkoholischen Inhalten besuchte er nun Anwohner und Anwohner… bis er auf Höhe seines Hauses war. Waghalsig hangelte er sich von Straßenseite zur Straßenseite. Heile in der Homebase angekommen, legte er sich kurz hin. Nach einem viertelstündigen Nickerchen lief er zum Auto, trank etwas gegen den Durst und setzte sich an das Steuer seines Ficas und fuhr zur Kreuzung. Nach kurzer Parkplatzsuche stellte er das Auto vor dem Kafana ab. Er begann den zweiten Teil seiner Spaziergänge auf der Nord-Süd-Verbindung. Gegen Abend trokelte er zu seinem Auto, fuhr nach Hause, erledigte ggf. kleinere Transportleistungen und legte sich hin. Am nächsten Morgen begann der Tag ebenso wie der vorige Tag. Klare Strukturen können helfen konsequent den und die anstehenden Aufgaben – zuweilen sich wiederholenden Aufgaben – zu bewerkstelligen. Ziveli!
Ganz anders war es bei Mileuko. Mile war Geschäftsmann im Herzen Beograds. Er plante seinen Tag konsequent von 16 Uhr bis 22 Uhr. Vorher war er zwar im Büro und versuchte zu arbeiten. Dies war allerdings schwer. Er war sehr gefragt; mal als Ratgeber, mal als potenzieller Arbeitgeber oder als Vermittler im sog. „Inex“ (Import / Export)-Geschäft von Badehosen balkanischer Produktion. Praktisch war bis 16 Uhr nicht an Arbeit zu denken. Immerwieder klingelte es an der Tür und ein Geschäftspartner, Nachbar, Politiker oder Universitätsprofessor kam vorbei und wollte die Weltlage mit ihm besprechen. Immer beim Kaffee und immer beim Slivovic. Manchmal auch beim Kaffee oder beim Slivovic… oder beim Kaffee und beim Slivovic.
Da es sich jedoch in Beograd immer um einen Mokka handelte, hatte er nach den ersten Wochen der Selbständigkeit bereits soviel Koffein intus, dass an Schlafen nach 22 Uhr nicht mehr zu denken war. Nach wenigen Tagen versuchte er Kaffee mit entkoffinierten Pulver zu brauen – zumindestens für ihn. Seine Gäste sollten davon nichts mitkriegen. Jetzt musste er irgendwann auch überlegen, ob ein so durchstrukturierter Arbeitstag überhaupt dauerhaft in Frage kommt. Er versuchte Unterschiedliches: Er machte die Tür nicht mehr auf, streckte den Kaffee, um durch eine schlechtere Kaffeequalität den einen oder anderen zu vergraulen… Es half alles nichts. Er begriff diese Situation nun als Chance. Machte aus seinem Büro eine kleine Kaffeebar und begründete damit den Grundstock eines kleinen Kaffeebar-Imperiums…
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