Kurz vor dem Start der NATO-Intervention im 1999 weilte ich für ein paar Tage in Serbien. Die Stimmung war durchwachsen. Die Auseinandersetzung zwischen den einzelnen Bevölkerungsteilen im Kosmet eskalierte: Die albanisch-stämmige Bevölkerung aus dem Kosovo flüchtete sich in Sicherheit vor den serbischen Truppen nach Montenegro, Albanien, Mazedonien und nach Belgrad – die serbisch-stämmige Bevölkerung aus dem Kosovo flüchtete sich in Sicherheit vor dem kosovo-albanischen UCK-Leuten nach Montenegro, Mazedonien, Serbien und speziell nach Belgrad. Absurde Situation. So… das war jetzt mal kurz der politische Hintergrund. Eigentlich schon eine Situation zum Verzweifeln… Aber es kam noch alles schlimmer… wie wir heute wissen…

In dieser Zeit nun war ich nebst Vater und Großvater in Belgrad unterwegs. Es sollten ein paar Besorgungen erledigt werden. In der Belgrads Haupteinkaufstraße Kneza Mihailova pulsierte das Leben. An der einen oder anderene Stelle versuchten serbische Nationalisten irgendwelche Devotionalien unter die Leute zu bringen: serbische Fahnen, Opanken, Šajkačken und Bilder von Slobodan Milosevic und diversen Kriegsverbrechern mit serbischen Wurzeln. Jebi ga. Glücklicher Weise habe ich an solchen Ständen niemanden gesehen, der irgendetwas gekauft hat…
In diesem Umfeld versuchten wir gemeinsam ein Serbisch – Albanisch, Albanisch – Serbisch Wörterbuch zu bekommen. Wir klapperten einen Buchladen nach dem anderen ab. Die Mission war quasi unlösbar. Die Dialoge, die sich jedoch in den Buchläden entbrannten waren cool. Aus dem Gedächtnis:
„Entschuldigen Sie bitte. Ich benötige ein serbisch-albanisches Wörterbuch!“
– „Bitte?“
„Ich suche ein serbisch-albanisches Wörterbuch!“
– „Aha. Warum brauchen Sie eins? Sind sie Diplomat oder Journalist?“
„Nein. Ich möchte mal ein paar albanische Wörter lernen.“
– „Wieso?“
„Naja, ich überlege eine albanische Frau zu treffen. Der muss ich doch erklären, wie sie serbische Bohnensuppe zubereiten soll“
Ein dritter greift ein: „Warum eine albanische Frau? Die Frauen aus der Ukraine sind momentan in Serbien sehr gefragt.“
– „Ja, der Kunde hat Recht. Ich hätte auch ein serbisch-ukrainisches Wörterbuch da. Ein albanisches leider nicht.“
By the way: In der Recherche für eine wissenschaftliche Arbeit über die Bevölkerungsentwicklung und Migration im ehemaligen Jugoslawien bin ich dem Hiweis der ukrainischen Frauen mal nachgegangen. Es gab in der Tat eine ganze Reihe von Frauen aus der Ukraine und anderen mittelosteuropäischen Staaten, die eine Perspektive für eine Familie in Serbien gesucht haben. Und in einer ganzen Reihe von serbischen Dörfern gab es doch einen besonders ausgeprägten Männer-Überhang.