Europäische Vergleiche sind im Kommen – in Deutschland schielt man immer darauf was in anderen Ländern gemacht wird; sei es bei der Bekämpfung der Internetpiraterie oder bei vielen anderen Themen. Der geneigte Leser mag verzeihen, dass ich dieser Entwicklung nicht trotze und mich sogar an diesen Vergleich-Unwesen beteilige.
Ich möchte nun die drei Leser meines Blogs an meinen Erfahrungen im ÖPNV teilhaben lassen. Mein Fokus liegt nun auf den öffentlichen Personennahverkehr in Nizza, Paris (beides Frankreich), Warschau (Polen), Kaluga (Russland) und natürlich in Beograd (Serbien).
Es gibt für mich vier Kriterien, die ich genauer beleuchten möchte:
- Preis
- Freundlichkeit der Mitarbeiter der Verkehrsgesellschaft
- Interieur der Fahrzeuge
- Tuchfühlfaktor – also das Verhältnis zwischen Quantität der Fahrgäste und dem zur Verfügung stehenden Platzangebot in dem jeweiligen Fahrzeug.
Sie / Ihr sind / seid nun dazu eingeladen, gerne auch diesen Vergleich um weitere Städte zu ergänzen.
Auf geht‘s:
Nizza – Fahren wie Gott in Frankreich: Ursprünglich sollte bei einem längeren Aufenthalt ein Mietwagen die Mobilität an der Cote d‘Azur sicherstellen. Nach längerem Überlegen entschieden wir uns jedoch zur Nutzung von Bus und Bahn. By the way: Eine der besten Entscheidungen, die ich im letzten Jahr getroffen habe. Preislich nicht zu toppen. Beispielsweise kostete eine Fahrt von Nizza nach Monaco im Bus im Jahr 2011 nur 1 Euro pro Person. Der Bus (einmal von einer französischen Gesellschaft, ein zweites Mal ein Unternehmen aus Monaco) war im Top-Zustand. Zu Stoßzeiten wurde es aber auch gerne mal etwas enger. Insbesondere dann, wenn die Leute von den „Sandstränden“ zurück nach Nizza gefahren sind – mit Sonnenschirmen, Surfbrettern, Boleros usw.
Gut auch, dass die Straßenbahn in Nizza „plus cool“ ist. Gleichwohl ist das Fahren mit der SNCF (der frz. Eisenbahn) gewöhnungsbedürftig und im Vergleich zum Busfahren eher teurer. Allerdings läßt die Internationalität des Personals in der zentralen Verkaufsstelle zu Wünschen übrig. Der Mann hinter dem Schalter sprach weder hessisch, deutsch, serbisch, kroatisch, montenegrinisch, bosnisch und englisch. Da ich dies jedoch antizipierte, habe ich meine Frau vorgeschickt, die übrigens über hervorragende Kenntnisse der französischen Sprache verfügt (und gerade neben mir sitzt!) – zumindestens reichte es für den Erwerb einer Wochenkarte. Tako je zivot, jbg.
Paris – Enges Netz: Sind Sie schon mal mit der RER zum Flughafen gefahren – An einem Freitag-Nachmittag? Die Hölle hat einen Namen. Auf den Stationen drängten die Leute; standen eng an eng. In der Bahn selbst war es hammer: Der Wagen leicht versifft. Und: Ich durfte noch nie mit so vielen Leuten zusammen eine Bahnfahrt gemeinsam erleben. Die Preise waren eher hoch. Die Freundlichkeit der Mitarbeiter konnte nicht bewertet werden. Ich habe niemanden weit und breit gesehen. Besonders positiv ist das sehr enge Netz von Metro-, RER- und Busstationen.
Warschau – Busfahren ist preiswert und man kommt an: In Warschau wollte ich unbedingt eine Fahrt von der Centralstation zum Flughafen machen. Der Ticketpreis war – glaube ich – ganz ok. Peter zahlte die Fahrt. Der Bus war ganz ok. Die Fahrt war auch ok. Es war aber interessant Warschaus Wohngebiete zu sehen. Sehr nette Fahrt.
Kaluga – Trolleybusse und Gasflaschen auf dem Dach: In diesem Frühjahr ähhh Winter machten wir Kaluga unsicher. Coole Stadt. Mit witzigen Fahrzeugen. So gibt es dort Trolley-Busse (also Busse mit Verbindung zur Oberleitung) aber auch seltsame Busse mit Gasflaschen auf dem Dach. Die Fahrzeuge mit den Gasflaschen sehen soooo gefährlich aus, dass wir es nicht wagten in einen solchen Bus einzusteigen. Au weia. Dem entsprechend konnten wir auch die anderen Kriterien nicht valide bewerten. Das sah echt abenteuerlich aus. Wir hatten das erste Mal Sicherheitsbedenken. Das war aber auch nicht schlimm. Mein Vater nebst modernem SUV von Volkswagen ermöglichten uns das entdecken der Region. Auch in Moskau haben wir Trolleybusse gesichtet. Und die Metro. Die erinnerte etwas an die pariser Metro – allerdings ist das Personal – insbesondere die Babuschka, die die Fahrkarte kontrollierte, nicht wirklich nett.
Beograd – Cool, toll, genial, preiswert: In Beograd gibt es unterschiedliche Verkehrsmittel, die öffentlich zu nutzen sind: öffentliche / private Busse, Trolleybusse, Straßenbahnen und nach Legenden sogar auch eine U-Bahn, die ich aber nieeeeeeeee gesehen habe. Ich glaube nicht, dass es die gibt.
Sicherheitsbedenken hatte ich noch nie. In den vergangenen Jahren wurde sogar ein neues Preissystem und Fahrkartenregime geschaffen. Noch vor ein paar Jahren war es eher uncool Fahrkarten zu kaufen. Am Kiosk konnte man die damals erwerben – Brauchte man aber nicht. Wenn der Kontrolleur kam – passierte mir 2-3 Mal – bezahlte ich die „Schwarzfahrtstrafgebühr“ gleich bar: rund 1 Euro. Ich kann mich auch noch an einen lustigen Dialog erinnern: Der Bus ist voll und der Kontrolleur steigt ein. Ein Fahrgast, der wohl im Slivovic-Rausch war, beantwortete die Frage nach der Fahrkarte ungefähr so: „Ich brauch keine Fahrkarte, Blödmann. Lass mich in Ruhe sonst poliere ich Dir die Fresse, ptm“. Der Kontrolleur zog weiter zum nächsten Fahrgast, der sich der Drohung seines Vorredners anschließ und danach der nächste und der übernächste Fahrgast…
Inzwischen soll es mehr Verkaufsstellen geben – allerdings habe ich die auch noch nicht gefunden. Schwarzfahren soll jetzt teurer sein. Aber wahrscheinlich nur, um die zahlreichen Selbstverteidigungskurse der Kontrolleure zu refinanzieren. Die Busse sind aber nach wie vor ok.
Genial ist der zentrale Busbahnhof. Hier fahren die Busse in das Umland und in die anderen Orte Serbiens sowie in die ganze Welt – zumindestens die Länder, die mit dem Bus zu erreichen sind. Hier fahren jeden Tag Busse nach Deutschland, in die Türkei, nach Griechenland, zu den Abtrünnigen Kosovaren, nach Bosnien und nach Kroatien, Ungarn usw… Einmal habe ich sogar einen Bus nach Kopenhagen erspäht. Hammer, oder?
Allerdings kann es manchmal auch viel Tuchfühlung geben. Aber das gibt es ja sonst auch in anderen Metropolen der Welt, wie ich lernen musste.
Das Bus- und das Straßenbahnnetz ist super. Sogar im Winter gab es kaum Beeinträchtigungen. Gewöhnungsbedürftig ist jedoch die Fahrplantreue. Wenn der Bus kommt ist das gut. Wenn nicht, auch nicht schlimm, dann wartet einfach auf dem nächsten Bus. Manchmal kürzer, manchmal länger…