Hauptsache halal…

Im Rheinland gibt es seit vielen Monaten einen neuen Gastronomiebetrieb mit dem Namen „Balkan Burger“ oder so ähnlich. Das war Grund für die beste Tochter der Welt und mir unseren Appetit auf Hackfleisch-Röllchen vom Balkan zu stillen. Die Werbung dieses Anbieters sollte vielversprechend sein.

Nach längerer Parkplatzsuche betraten wir nun einen Imbiss, der wenig vom Balkan anmutete. Etwas zusammengewürfelt waren die beiden Tische sowie die Dekoration. Die eher an ein Sozialkaufhaus erinnerte – aber nicht an ein Balkan-Fastfood Anbieter.

Auf der Speisekarte dieses Anbieters gab es neben Cheeseburger, Hamburger und Pommes auch drei sehr balkanische Gerichte: „Chevapchichi“ (sic?), einen „Balkan-Salat“ sowie einen „Balkan-Salat groß“. Als wir nun unsere Bestellung abgaben „1x Pljeskavica und Fanta sowie 1x Cevapi und Cockta – aber bitte beides mit Avjar und Kajmak“ abgaben schaute uns der Inhaber der Hackfleisch-Braterei mit fragenden Worten an. Als er fragte „Was sind Pljeskavic und Cevapi? Was ist Kajmak?“ war es der Beginn der wunderschönen Konversation. Es taten sich Abgründe auf.

Der Inhaber erklärte im weiteren Gespräch, dass er vom Balkan kulinarisch keine Ahnung habe. Auf die Frag, ob er jemanden vom Balkan kenne, antwortete er, dass sein Koch aus Albanien sei. „Sehr gut“, goutierter wir diese Antwort. Allerdings sei der Koch noch nicht da. Nach einem epischen Exkurs über die glorreichen kulinarischen Errungenschaften des Balkans unsererseits offenbarte auch der Inhaber der Hackfleisch-Braterei, dass er auch die Chevapchichi nur noch im Burgerbrötchen serviere nicht mehr im Fladenbrot. Jebi ga. Aber das Brötchen würde besser harmonieren mit seinem marokkanischen Fleisch, das im Gegensatz zum türkischen Hackfleisch deutlich besser sei, und der „BALKAN-SAUCE“.

Das Gespräch entwickelte sich langsam zu einem Kochcoaching für den Inhaber des fleischverarbeitenden Betriebs. Es offenbarten sich immer mehr Abgründe. Auch seien Cockta und Fanta Shokata im Einkauf etwas teurer… Das Geld würde er lieber in das marokkanische Fleisch investieren… Jebo te. Während des Intensivcoachings bekamen wir nun unsere Chevapchichi im Bürgerbrötchen kombiniert mit einem sorgsam ausgewählten Salatblatt, einem halben Zwiebelrings sowie der BALKAN-SAUCE. Der geneigte Leser wird bei dem Begriff „BALKAN-SAUCE“ an sonnengereifte Tomaten, Paprika aus Südosteuropa und weiteren Gemüse denken. Vielleicht sogar mit einer milden Schärfe. Nach dem vorsichtigen Sezieren des gelieferten Chevapchichi-Burgers erwartete uns allerdings eine Senfsauce, die eher an billigen Senf erinnert als an eine Sauce aus dem Südosten unseres Kontinents. Aber vielleicht war die Senfmühle irgendwo verortet zwischen Skopje und Ljubljana oder zwischen Subotica und Durres.

Im Laufe des Coachings lautete unserem Empfehlung an den Inhaber des Betriebs seinen Koch mal einzupacken und mit ihm Abends in das Restaurant Cevapcici nach Köln zu fahren. Hier würde er bestes Balkan-Essen bekommen. Auch nach dem wir ihm erläuterten, dass das Restaurant in Köln quasi zur bosnischen Moschee in Ehrenfeld gehöre insistierte der Inhaber des Imbiss darauf, dass die Qualität des marokkanischen Fleisches sehr gut sei – und auch das Restaurant „halal“es Fleisch haben müssen. Man offenbarte im Laufe des Coachings immer weiter, dass man auch keine Ahnung der Wettbewerbssituation habe. Balkan-Restaurants würde er nicht kennen.

Wir trieben es auf die Spitze und empfahlen, das Konzept des Ladens zu überdenken. Gaben ihm den Hinweis vielleicht auf marokkanische Küche zu setzen. Der Inhaber fand das einen sehr guten Hinweis – erzählte uns mit glänzenden Augen von seiner Kindheit in Marokko und den tollen Gerichten aus dem Tajin sowie anderen Highlights der Küche seiner fernen Heimat. Er erzählte, dass er bereits schon jetzt mit dem Gedanken spielt, aus dem Balkan Burger-Laden nun ein „Chicago Burger“ Laden zu machen. Oje. Das wird spannend… Vielleicht gibt es zweites Kochcoaching für den Inhaber – das machen wir aber erst, wenn die Bude umbenannt wurde.

Als die beste Tochter dieser Welt und ich uns wie Eber an der Borke an dieser Idee rieben und den Inhaber challengen fiel uns folgendes auf: Man kannte die Marktlage überhaupt nicht. Weder, dass inzwischen auch im Rheinland an wirklich jeder Ecke Burgerläden aufmachen und manche auch sehr schnell wieder schließen müssen.

Unsere Empfehlung mal die Burger-Länden in der Nachbarschaft zu checken wurde sehr skeptisch gesehen, immerhin möchte man ja ein eigenes Konzept haben. Auch beim Nachfragen konnte er das alles jedoch nicht wirklich erläutern. Wichtig war ihm allerdings „Hauptsache Halal“.

Als wir den Betrieb verließen, kam der Inhaber mit uns raus und musste erstmal eine Zigarette rauchen – und ich bin mir nicht sicher, er hatte – glaube ich auch – einen Flachmann geköpft. Das wäre Balkan – aber weniger halal.

Also: Augen auf bei der Restaurant- und Berufswahl.

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